Ich gehöre unter schweres Leder 1

respect - "Ich gehöre unter schweres Leder!" #1 Author: respect
Title: "Ich gehöre unter schweres Leder!" #1
Date: 09 August 2018

Unbemerkt kommt dieser Handwerker nicht durch seinen Bezirk. Schornsteinfegermeister Frank Hager geht trotz der Hitze ganz in schwarz seiner Arbeit nach. Seine strenge schwarze Kluft fällt auf. Sein enormer Vollbart auch.

Auf der Straße kommen oft Menschen auf ihn zu und fassen seine Uniform an.

„Das ist okay, es soll ja Glück bringen. Aber im Sommer erschrecken sie manchmal darüber, wie extrem sich meine schwarze Kluft in der Sonne aufheizt", schmunzelt er. „Meine Uniform wird dann so heiß, dass man sich an mir die Finger verbrennt."

Hager lacht unter seinem dichten Bart und weist lächelnd auf seine Uniform.

„Sie können sich sicher vorstellen, dass es hier drunter an heißen Tagen ein kleines bisschen ungemütlich wird."

Ich lasse meinen Blick an Hagers Uniform herabwandern. Es fällt fast schwer, das nicht zu tun. Seit Hager mir gegenübersteht, kämpfe ich dagegen an, die ganze Zeit allzu aufdringlich auf seine schwere Montur zu starren.

„Ja, das kann ich mir sogar sehr gut vorstellen!"

Hagers Uniform ist aus Leder. Sie ist pechschwarz. Und sie ist sehr dick. Die solide Hose, die schweren Arbeitsstiefel, die typische, vor der Brust zweireihig geknöpfte Uniformjacke, sogar der Zylinder und die Handschuhe: Seine ganze Montur ist aus dickem schwarzem Leder angefertigt. Doch, ich kann mir wirklich vorstellen, dass es in so einem dicken Lederanzug heute einigermaßen ungemütlich ist!

Hagers Montur ist von oben bis unten auf Hochglanz poliert. Der Handwerker in seiner massiven Lederkluft ist ein sehr beeindruckender Anblick. An sechs Tagen in der Woche ist der Mann mit dem imposanten Vollbart so unterwegs. Er arbeitet immer in voller Lederuniform, so auch heute. Schwarzes Leder, bei dreißig Grad im Schatten. Und es soll heute noch wesentlich heißer werden.

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Hager scheint die Hitze allerdings nichts auszumachen. Er trägt seine schwere Montur mit Stolz.

„Sie sehen es ja: Meine Kluft ist komplett aus echtem Leder. Das hat unsere Gilde vor über hundert Jahren so festgelegt, und wir halten uns bis heute daran. Textil ist nicht erlaubt. Es muss alles aus Leder sein. Von oben bis unten."

Sogar die Materialstärke jedes Uniformteils ist immer noch genau festgelegt, erklärt er.

„Die Hose muss aus zwei Millimeter dickem Rindsleder sein. Für eine Hose ist das solches Leder eigentlich viel zu massiv. Dünneres Material ist aber nicht erlaubt. Ich muss also in dieser dicken Hose klarkommen."

Der Handwerker lächelt unter seinem Vollbart. Er wirkt nicht, als wäre ihm seine solide lederne Hose wirklich lästig. Er scheint sich in seiner soliden Montur sogar recht wohl zu fühlen.

„Die Uniformjacke muss sogar aus noch stärkerem Leder angefertigt werden!"

Hager ist sichtlich stolz darauf.

„Die ist aus festem Rindsleder gemacht. Ein ziemlich steifes Material."

Die solide Lederjacke ist der schwerste Teil seiner Kluft, erklärt er.

„Meine Jacke kann man praktisch hinstellen und sie bleibt stehen, das ist richtig massives Leder. Hier drin kann ich mich nicht mehr frei bewegen, aber daran gewöhnt man sich."

Auch die Farbe Schwarz ist streng vorgegeben.

„Schon dunkelgrau wäre nicht erlaubt. Das muss alles pechschwarz sein. Von oben bis unten."

Die schwere schwarze Montur ist für die bisweilen schweißtreibende Arbeit nicht immer praktisch, gibt der Handwerker zu. Aber das Tragen der Lederkluft ist auch eine Frage des Stolzes.

„In meiner Kluft bin ich Teil einer langen Tradition, auf die ich sehr stolz bin. Ich arbeite in vollem Leder wie meine Vorgänger. Wenn ich morgens meine schwarze Montur anlege, fühle ich mich ihnen verbunden."

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Hager musste seine Uniform maßanfertigen lassen.

„Das Leder ist mir exakt auf den Leib geschneidert. So eine Montur kriegt man nicht von der Stange. Und ohne Maßanfertigung geht es einfach nicht. Wenn man den ganzen Tag lang dermaßen dickes Leder tragen muss, dann muss das passgenau sitzen. Sonst kneift das steife Leder überall. Und die Kluft ist auch so schon unbequem genug", räumt Hager ein.

„So robustes Leder wird ja sonst nur für Rucksäcke oder ähnliches verwendet. Dementsprechend gibt es auch nur wenige Schneider im Land, die überhaupt Kleidung aus so massivem Leder herstellen können."

Er klopft sich auf das steife Leder vor seiner Brust und lacht.

„Es gibt ja nicht viele Kunden, die so verrückt sind, sich eine Jacke aus drei Millimeter dickem Leder anfertigen zu lassen."

Aber der Handwerker mag seine Arbeit. Vor zehn Jahren hat er zum ersten Mal die schwarze Kluft angelegt, und seitdem verrichtet er darin pflichtgemäß seinen Job.

„Klar, man kommt hier drin ganz schön ins Schwitzen, vor allem, wenn man den ganzen Tag in der prallen Sonne unterwegs ist. Der erste Sommer in Kluft war ziemlich hart für mich. Aber ich habe mich irgendwann doch ganz gut dran gewöhnt. Nach ein paar Wochen in der heißen Sonne kam es mir schließlich ganz normal vor, auch bei heißem Wetter nur noch in

schwarzem Leder herzumzulaufen. Inzwischen macht mir das nichts mehr aus."

Schon kommt ein Passant vorbei und will Hagers Uniform berühren, sich ein bisschen Glück abholen. Er fasst Hager auf die Schulter, zuckt aber sofort wieder zurück.

„Au, das ist ja heiß!" ruft er erstaunt. Hager grinst ihn an.

„Echtes Leder. Das heizt sich an sonnigen Tagen ziemlich stark auf."

Der Mann legt vorsichtig die Hand auf Hagers Rücken und fühlt die Temperatur seiner schwarzen Lederhülle.

„Unglaublich. Auf Ihrem Rücken könnte man ja Spiegeleier braten!"

Ich muss lachen. Aber Hager lächelt nur.

„Glauben Sie, er übertreibt? Fassen Sie meinen Rücken mal an!"

Ich lege die flache Hand auf das solide schwarze Leder, das stramm Hagers Rücken umspannt, oben zwischen den Schulterblättern, wo die Sonne am direktesten darauf scheint. Obwohl ich vorgewarnt bin, zucke ich erschreckt zurück. Der lederne Rücken des Handwerkers ist tatsächlich so heiß, dass man sich fast daran verbrennt. Hager lacht unbeschwert.

„Na, glauben Sie es jetzt?"

Der Mann lässt derweil seinen Blick an Hagers schwerer Kluft hinabwandern.

„Und Ihre Hose? Ist die etwa auch...?"

„Alles aus Leder", nickt Hager. „Auch meine Hose. Das ist so vorgeschrieben."

„Eine Hose aus Leder? Da haben Sie es aber nicht leicht bei diesen Temperaturen!"

Der Blick des Mannes bleibt neugierig an der dicken ledernen Hose des Handwerkers hängen.

„Sie können ruhig auch meine Hose anfassen", bietet Hager an, und es klingt ein bisschen stolz, als er anfügt: „Die Hose ist genauso heiß wie die Jacke."

Der Mann befühlt das dicke Leder, das Hagers Beine umschließt, vorsichtig, als könne er sich tatsächlich daran verbrennen.

„Die ganze Hose ist glühend heiß! Aber das muss doch unerträglich heiß sein da drunter!", staunt der Mann. „Wie halten Sie es bloß aus da drin? Bei solchen Temperaturen, unter diesem ganzen Leder? Kommen Sie da drin nicht um vor Hitze?"

Hager lächelt geduldig.

„Alles eine Frage der Gewohnheit. Meine Arbeitskluft muss nun mal aus Leder sein. Ich stecke ja jeden Tag hier drin und kenne es nicht mehr anders. Im Sommer wird es schon ein bisschen warm hier drin, aber das muss ich eben aushalten."

„Und Sie müssen den ganzen Tag lang da drin stecken?", will der Mann wissen.

„Ich trage die Kluft natürlich in der ganzen Dienstzeit. Jeden Tag."

„Wow. Aber das muss doch total lästig sein! Wollen Sie nicht manchmal raus aus diesem ganzen Lederzeug? Vor allem an solchen Tagen wie heute?"

„Naja, wenn es so richtig heiß wird, kriege ich schon mal den Impuls, die Jacke auszuziehen, um mir ein bisschen Luft zu machen. Aber es geht halt nicht. Sehr viel kühler wäre es sowieso nicht, da drunter trage ich ja noch ein dickes Lederhemd. Und aus der Hose und den Stiefeln kann ich sowieso nicht raus, wenn ich erst mal unterwegs bin. Die Uniform bleibt bis zum Feierabend an, fest zugeknöpft, da gibt es nichts dran zu rütteln."

„Und – wie soll ich sagen...? Stecken Sie freiwillig da drin?"

Hager lacht.

„An Tagen wie heute kann man sich das schwer vorstellen, nicht wahr? Aber ich darf die Lederkluft auch heute nicht einfach ablegen. Ob ich will oder nicht, ich muss diese Montur tragen. Aber ich habe ja freiwillig diese Kluft angelegt. Ich hätte mir natürlich eine luftigere Arbeitskleidung aussuchen können. Aber hätte ich nochmal die Wahl: Ich würde sofort wieder in mein Leder steigen. Ich habe mich in diese Kluft verliebt, als ich sie zum ersten Mal gesehen habe. Bequem oder nicht – ich gehöre einfach hier rein!"

„In dieses schreckliche Lederzeug? Bei dreißig Grad?"

„Ja, auch dann", meint Hager. „Ich lege doch wegen ein paar Sonnenstrahlen nicht meine schöne Kluft ab!"

Jetzt lacht auch der Passant.

„Na, dann viel Spaß da drin!", wünscht der Mann, klopft Hager noch einmal auf seinen ledernen Rücken und geht weiter.

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„Solche Begegnungen habe ich jeden Tag", berichtet der Handwerker. „Meine Montur fällt eben auf, besonders im Sommer. Da läuft ja freiwillig niemand so hochgeschlossen herum wie ich, und schon gar nicht in schwarzem Leder. Es ist also ganz normal, dass ich so oft auf die Ledermontur angesprochen werde. Es ist eben ungewöhnlich, dass ich auch bei dieser Hitze in so einer schweren Kluft arbeiten muss. Aber ich bin einfach stolz darauf, diese Uniform zu tragen, und das kann ich am besten vermitteln, wenn mich die Leute auf meine Montur ansprechen. Ich achte bewusst darauf, dass ich immer von oben bist unten gut eingefettet und auf Hochglanz poliert bin. Jeder soll schon von Weitem erkennen, dass ich volles Leder trage! Natürlich drehen sich die Gespräche so auch weniger um meine Arbeit, sondern fast nur um meine Ledermontur. Wie lange ich hier schon drinstecke. Ob das nicht schrecklich heiß ist unter dem ganzen Leder. Ob ich nicht lieber eine Stoffhose anziehen würde. Warum ich im Sommer Handschuhe trage. Ob ich die Montur auch nach Feierabend anbehalte, und so weiter. Und natürlich wollen mich alle anfassen. Manche fragen nicht mal, sondern fangen einfach an, mein Leder zu befühlen. Daran habe ich mich gewöhnt."

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Ursprünglich wollte er Polizist werden, erzählt Hager.

„Auch da trägt man Uniform, das hätte mir gut gefallen. Aber so eine Stoffuniform war mir irgendwie nicht genug. Ich hatte immer das Gefühl, dass mir da was fehlt, konnte aber nicht sagen, was."

Durch einen Zufall, über einen Bekannten, der Schornsteinfeger war, durfte er bei einem Praktikum mal hineinschnuppern.

„Als ich zum ersten Mal die Kollegen in ihren vollen Monturen gesehen habe, alle von Kopf bis Fuß in schwerem Leder, und alle von oben bis unten glänzend poliert, da traf mich das wie ein Blitz. Ich dachte nur: Das ist es! In so eine Kluft muss ich auch rein! Ich will den ganzen Tag in schwarzem Leder stecken und da drin arbeiten müssen! Das ist genau mein Ding! Ich verstand in diesem Moment: Ich gehöre unter schweres Leder. Da muss ich rein, egal wie, und am besten für immer. Ich habe so schnell wie möglich den Ausbildungsvertrag unterschrieben und war überglücklich, dass ich schon eine Woche später in meiner maßgeschneiderten Lederkluft steckte. Das fühlte sich einfach großartig an!"

Der Schornsteinfegerberuf an sich ist gefragt, aber Hager weiß, dass auf manche die martialische Ledermontur abschreckend wird.

„Immer in so einer schweren Uniform zu stecken ist natürlich nicht jedermanns Sache. Manchmal ist man tagelang fast rund um die Uhr im Dienst, da wird das schon ziemlich lästig, jeden Tag von frühmorgens bis spätabends in diese schwere Kluft eingesperrt zu sein. Das Ding ist halt doch ziemlich starr und schwer. Es gibt Wochen, da komme ich mehr oder weniger nur noch zum Schlafen aus dem Leder raus. Und im Sommer wird es hier drin natürlich wirklich ganz schön heiß. Bei dreißig Grad in einer pechschwarzen, luftdichten Uniform herumzulaufen, das kann schon ziemlich lästig werden. Wenn ich dann den ganzen Tag unter meinem dicken Leder stecke und andere Männer in kurzen Hosen und mit freiem Oberkörper rumlaufen sehe, dann frage ich mich schon manchmal: Was zum Teufel mache ich hier eigentlich? Musste es unbedingt schwarzes Leder sein? Es gibt auch für mich so Tage, da würde ich morgens lieber einfach Jeans und Turnschuhe anziehen dürfen statt dieser massiven Lederhose und der schweren Stiefel. Aber ich muss an jedem einzelnen Tag in mein schwarzes Leder reinsteigen, ob ich will oder nicht. Egal, ob Regen angekündigt ist oder ob es dreißig Grad heiß werden soll. Immer volles Leder."

Hager grinst.

„Aber so habe ich das ja gewollt. Da muss ich jetzt eben durch."

Nachwuchssorgen hat Hagers Berufsstand trotz der beschwerlichen Arbeitskleidung nicht.

„Es finden sich immer wieder junge Männer, die gern die Kluft anlegen und dann auch dabei bleiben. Die wird es immer geben. Ich freue mich immer, wenn ich wieder einen jungen Kollegen in einer nagelneuen, blitzblank polierten Kluft sehen kann. Das ist immer wieder ein schöner Anblick!"

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Ich will wissen, ob es wirklich gar keine Ausnahme von der strengen Kleiderordnung gibt. Immer volles Leder, jeden Tag?

Hager überlegt, dann lächelt er.

„Doch, eine Ausnahme gibt es: Die schwarzen Lederhandschuhe dürfen im Juli und August in den heißesten Stunden des Tages ausgezogen werden. Es wird aber empfohlen, sie möglichst auch bei großer Hitze niemals abzulegen."

Hager grinst.

„Es wird Sie nicht mehr überraschen: Mein Arbeitsvertrag schreibt lederne Handschuhe in einer ganz bestimmten Materialstärke vor. In der gesamten Dienstzeit. Heute Nachmittag dürfte ich sie also ausnahmsweise kurz ausziehen. Es ist ja wirklich außergewöhnlich heiß. Aber wie Sie ja sehen...", Hager streckt seine stramm eingelederten Hände vor, „...behalte ich die Handschuhe auch im Sommer sogar ganz gerne an. Ich trage sie einfach gerne, egal, wie heiß es ist. Ohne meine Lederhandschuhe fühle ich mich nicht komplett."

Er lacht sein unbeschwertes Lachen.

„Irgendwie finde ich es halt auch einfach schön, so eingepackt zu sein."

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Wann hatte der Kaminfeger eigentlich das letzte Mal Glück? Und was ist Glück für ihn?

„Sehr einfach. Ich bin glücklich, wenn ich von morgens bis abends stramm in meiner Kluft stecke. Das ist das Wichtigste. Mehr brauche ich nicht."

Ich sehe ihn fragend an.

„Okay", gibt Hager zu, „Da ist eine Sache, die mich vielleicht noch glücklicher machen könnte. Da muss ich aber ein bisschen ausholen."

„Nur zu, erzählen Sie ruhig", ermuntere ich ihn, „Ich habe Zeit. Und ich bin es ja nicht, der dabei in einer pechschwarzen Lederuniform in der prallen Sonne stehen muss."

Autsch, ging das vielleicht schief? Ein Witz auf Kosten dieses Mannes, der es vielleicht doch gar nicht so witzig findet, dass er den ganzen Tag lang bei höllischer Hitze in diese schweißtreibende, luftdichte Montur eingesperrt bleiben muss?

„Ist schon okay", beschwichtigt Hager und wischt sich einen Schweißtropfen von der Stirn. „Das ist ja nicht mein erster Sommer in Kluft. Das bisschen Sonnenschein werde ich schon aushalten."

Inzwischen bewundere ich den Mann in dieser martialischen Lederkluft, die sich sicherlich von Minute zu Minute weiter aufheizt. Müsste ich bei solchen Temperaturen stundenlang in schwarzes Leder eingesperrt bleiben, würde ich das nicht so gelassen hinnehmen. Wie schafft er es bloß, in dieser unglaublich massiven Montur trotzdem die ganze Zeit so unbeschwert zu wirken? Er trägt sein Leder so lässig wie einen Jogginganzug, denke ich. Hat er sich wirklich so sehr an das dicke Leder gewöhnt, dass er gar nicht mehr spürt, wie schwer er eingepackt ist?

„Also, was würde Sie glücklich machen?"